Fragen und Antworten zur Nationalen Umsetzung Art. 148 GMO

Stellung der Milcherzeugerinnen und -erzeuger stärken

Warum ist es wichtig, die Stellung von Milchbäuerinnen und -bauern im Markt zu stärken ?

Auf dem Milchmarkt ist das Machtgefälle besonders groß: Einer Vielzahl von Erzeugern steht eine deutlich geringere Zahl an Abnehmern gegenüber. Die Betriebe geben ihre Milch ab und werden in den überwiegenden Fällen erst im Nachhinein, also nach Lieferung der Milch, über die konkreten Auszahlungspreise informiert, die die Molkereien erwirtschaften konnten. Für den einzelnen Betrieb erschwert das die betriebswirtschaftliche Kalkulation. Hinzu kommt, dass Milchbäuerinnen und -bauern oft das schwächste Glied in der Kette sind: Sie haben wenig Marktmacht und können auskömmliche Preise oft nicht durchsetzen. Zudem schwanken die Preise manchmal sehr – unabhängig davon, ob an eine private oder genossenschaftlich organisierte Molkerei geliefert wird, denn bereits prozentual kleine Änderungen in der Gesamtliefermenge beeinflussen die Marktlage deutlich. Es besteht also Handlungsbedarf, um die Milcherzeugerinnen und -erzeuger zu stärken und faire Lieferbeziehungen zu schaffen.

Sind die Preise auf dem Milchmarkt stabil?

Der sogenannte Auszahlungspreis, den Molkereien an Milchbäuerinnen und -bauern zahlen, schwankt sehr stark. Er wird insbesondere von Angebot und Nachfrage auf dem Milchmarkt bestimmt. Bei Milch als Frischeprodukt führen schon kleine Mengenänderungen in der Gesamtliefermenge zu starken Preisschwankungen. Zu- oder Abschläge erfolgen in Abhängigkeit vom Fett- und Eiweißgehalt pro Kilogramm Milch. Zudem gibt es Programme für bestimmte Haltungsformen oder Nachhaltigkeitsaspekte, bei denen für zusätzliche Anforderungen Aufschläge gezahlt werden. Da rund 50 Prozent der in Deutschland erzeugten Milch und Milchprodukte in den Export gehen, hat auch der Weltmarktpreis großen Einfluss auf den Milchpreis. Die Entwicklungen auf dem EU- und dem Weltmarkt schlagen sich in den Milchauszahlungspreisen der deutschen Molkereien nieder. Während sich der Tiefstwert für Milch während der Milchkrise 2015/16 auf 22,8 Cent/Kilogramm im bundesweiten Durchschnitt belief, lag der Preis für ein Kilogramm Milch im Dezember 2022 bei durchschnittlich 61 Cent und im Dezember 2023 bei durchschnittlich rund 43 Cent/Kilogramm. Das zeigt: Die Preise schwanken sehr stark.

Warum können die Schwankungen der Milchpreise negative Auswirkungen für Milcherzeugerinnen und -erzeuger haben?

Stark schwankende Preise sind für viele Milchbäuerinnen und Milchbauern eine Herausforderung, da sie die Planbarkeit erschweren. Für die Milcherzeugenden Betriebe kommt erschwerend hinzu, dass sie produzieren, ohne den Auszahlungspreis zu kennen, und daher keine eigenen Anpassungsmaßnahmen vornehmen können, um die von ihnen gelieferte Milchmenge kurzfristig zu beeinflussen. Die Molkereien hingegen müssen in ihre Kalkulationen bisher die auszuzahlenden Milchpreise nicht als feste Größe einbeziehen. Preisverhandlungen werden damit verzerrt, da die Molkereien auch Angebote zu Lasten der an sie liefernden Betriebe unterbreiten können.

Der Weltmarkt eröffnet einerseits Chancen durch Preisspitzen (wie 2007/08, 2013 oder 2022) - anderseits sind Phasen mit niedrigen Milchpreise für landwirtschaftliche Betriebe problematisch: Das Risiko und die unternehmerischen Anforderungen an die Betriebe steigen. Über einen längeren Zeitraum führen nicht-kostendeckende Milchpreise zu einem Ausstieg aus der Milchkuhhaltung oder sogar zur Aufgabe des Betriebs. Die Zahl der milcherzeugenden Betriebe ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Gleichzeitig ist die Zahl der Milchkühe je Halter kontinuierlich gestiegen: Während sich die Zahl der milchviehhaltenden Betriebe zwischen 2000 und 2020 von 142.250 auf 57.322 verringert hat, hat die Zahl der durchschnittlich gehaltenen Milchkühe je Betrieb von 32,7 auf 68,4 zugenommen. Heute liegt die Zahl der milchviehhaltenden Betriebe bei etwa 50.000. Ein Konzentrationsprozess ist auch bei den Molkereien zu verzeichnen.

Wie will das BMEL die Stellung der Milcherzeugerinnen und -erzeuger stärken?

Das BMEL will die Position der Milchbäuerinnen und Milchbauern verbessern und sie dabei unterstützen, bessere und stabilere Preise auf dem Markt zu erzielen. Ein Baustein dafür ist Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) der Europäischen Union (EU), der von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden kann. In Deutschland ist dies bislang nicht der Fall. Um insbesondere Milcherzeugerinnen und -erzeuger zu unterstützen, wird das BMEL die nationale Anwendung von Artikel 148 GMO zur Gestaltung der Lieferbeziehungen auf den Weg bringen. Dazu ist eine Änderung der Verordnung zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich (AgrarOLkV) notwendig.

Welche Änderungen ergeben sich durch die Umsetzung des Artikel 148 GMO?

Mit der Anwendung des Artikels 148 GMO wird das Preisrisiko zwischen den Milchbauern und den Molkereien fairer verteilt.Artikel 148 bietet für den Sektor "Milch und Milcherzeugnisse" die Möglichkeit, eine Vertragspflicht mit bestimmten Bestandteilen national festzulegen - etwa, dass in einem schriftlichen Vertrag Preise bzw. die Indikatoren zur Preisbildung und Liefermengen geregelt sein müssen. Darüber hinaus kann festgelegt werden, dass als weiterer Bestandteil in Verträgen eine Preis-Mengen-Beziehung zu vereinbaren ist. Die Preis-Mengen-Beziehung kann durch Festpreisangebote oder Preisstaffelung oder durch eine Preisabsicherung für eine bestimmte Rohmilchmenge auf Molkereiebene zur Stärkung der Erzeugerinnen und Erzeuger in der Wertschöpfungskette beitragen.

Was plant das BMEL konkret?

Bei der nationalen Umsetzung von Artikel 148 GMO in Deutschland plant das BMEL, dass Rohmilchabnehmer (Molkereien) für ihre Rohmilchlieferungen zu schriftlichen Verträgen mit Bestimmungen gemäß Artikel 148 GMO, unter anderem zu Preis und Menge, verpflichtet werden. Genossenschaften sollen von der Vertragspflicht ausgenommen sein, sofern ihre Lieferordnungen oder Satzungen Bestimmungen enthalten, die in ihrer Wirkung den Bestimmungen für verpflichtende Verträge ähnlich sind. Darüber hinaus sollen die Molkereien verpflichtet werden, den Erzeugerinnen und Erzeugern ein Angebot für einen Preis-Mengen-Bezug gemäß Artikel 148 GMO zu unterbreiten. Dabei soll keine Annahmepflicht für das Angebot auf der Milcherzeugerseite (Rohmilchlieferanten) bestehen. Das Angebot soll sich auf mindestens 80 Prozent der voraussichtlichen Liefermenge beziehen.

Was passiert mit den Preisen für Milchprodukte im Supermarkt?

Wir sorgen für mehr Fairness auf dem Milchmarkt, da das Risiko nicht mehr allein bei den erzeugenden Betrieben liegt. Wir machen klare Vorgaben für die Vertragsbeziehungen zwischen den Erzeugern von Rohmilch und den Abnehmern. Für alle, die Rohmilch erzeugen, werden die Preise verlässlicher – Preisschwankungen werden abgefedert. Das bedeutet aber nicht, dass automatisch die Preise im Supermarkt steigen. Eine Verteuerung von Milchprodukten durch die Einführung des 148 GMO für Verbraucherinnen und Verbraucher ist also nicht zu erwarten.

Sind genossenschaftliche Molkereien auch in der Pflicht?

In Deutschland verarbeiten Genossenschaften den größten Teil der Milch – rund 70 Prozent. Sie sind von der Vertragspflicht ausgenommen, wenn ihre Satzungen oder Lieferordnungen Bestimmungen enthalten, die eine ähnliche Wirkung wie die Bestimmungen für verpflichtende Verträge haben. Erfüllen Genossenschaften die Anforderungen des Artikel 148 GMO in ihrer Satzung oder Lieferordnung nicht, so muss auch dort nachgesteuert werden.

Erhalten die Milcherzeugerinnen und Erzeuger bessere Preise durch die Umsetzung von Artikel 148 GMO?

Milcherzeugerinnen und Milcherzeuger wissen in der Regel vorab nicht, welchen konkreten Preis sie für die gelieferte Milch erzielen. Das verlagert das Marktrisiko allein auf die Erzeugerebene. Um dieses Risiko nicht länger allein auf die Betriebe abzuwälzen, sind konkrete Preis- und Mengenvereinbarungen nötig. Die Anwendung von Art. 148 GMO erhöht die Planbarkeit für die Betriebe, da die Preise stabiler sind. Dauerhaft höhere Preise  gibt es dadurch nicht automatisch  - Höhen und Tiefen werden jedoch abgefedert.

Welche weiteren Maßnahmen unternimmt das BMEL, um nachhaltige Milcherzeugung zu stärken?

Das BMEL will auch über Marktmaßnahmen mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Milcherzeugung fördern. Artikel 210a GMO bietet seit der GAP-Reform 2021 eine Ausnahmevorschrift vom Kartellverbot für übergesetzliche Nachhaltigkeitsstandards in der Lebensmittelversorgungskette. Demnach ist es möglich, Absprachen zu höheren Preisen zu treffen, wenn Nachhaltigkeitsstandards erfüllt werden, die über das gesetzlich verpflichtende Niveau hinausgehen. Das BMEL begrüßt das, denn so haben Erzeugerinnen und Erzeuger die Möglichkeit, höhere Kosten für Umwelt- und Tierschutz entlang der Wertschöpfungskette weiterzugeben und über höhere Erzeugerpreise abzudecken. Das BMEL möchte diese Möglichkeit besser bekannt machen. Dazu wurde bereits eine Informationsveranstaltung durchgeführt, um die Branche zu informieren und zu ermutigen, die hier gegebenen Möglichkeiten zu nutzen.

Auch will das BMEL Marktinformationen besser zugänglich machen. Dazu wird die Möglichkeit geprüft, die Marktdaten in komprimierter Form und mit zusätzlichen Marktindikatoren und -indizes zur Verfügung zu stellen. Informationen sollen in Zukunft leichter zugänglich und verständlicher dargestellt werden, damit Produzenten und Produzentinnen diese leichter nutzen können. Dazu lässt BMEL ein Markt-Dashboard mit Preisen, Mengen und Indikatoren entwickeln.

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Allgemeine Informationen zu Rinderhaltung und Milchproduktion finden Sie hier auf unserer Website.

Der Vier-Punkte-Plan ("Zukunftsfähige Milchviehhaltung stärken") steht hier als Download zur Verfügung.

Erschienen am im Format FAQ-Liste